In Joanna Buchowskas Malerei entstehen Bilder, die von einer Atmosphäre der Beunruhigung und der Unsicherheit geprägt sind. In ihren, in der Technik der Ölmalerei hergestellten Arbeiten erscheinen Menschen und Architekturen oft wie durch Zerrspiegel gesehen und als Bewohner und Elemente einer fremden Wirklichkeit, zu der die Betrachter keinen wirklichen Zugang haben, die ihnen letztlich verschlossen bleibt.
In dieser Welt herrscht ein merkwürdig fahles Licht vor, eine Helligkeit, in der die Farbwerte manchmal hart nebeneinander stehen oder die Konturen verschwimmen und ineinander verfließen. Somit entstehen in diesen Bildern Räume, die sich einer eindeutigen Beschreibung entziehen. Auch wirken die Figuren zuweilen wie hineinmontiert, erscheinen in ihrem Umfeld fremd und seltsam isoliert.
Die Darstellung solcher Surrogate von Wirklichkeit erzielt die Künstlerin aufgrund eines geplanten, für ihre Malerei wirkungsvoll eingesetzten Vorarbeitens, denn sie verwendet als Skizzen oder Vorstufen für ihre Bilder immer wieder Fotografien aus alten Fotoalben oder aus Zeitschriften, die sie zu Fotomontagen zusammenfügt und im weiteren Herstellungsprozess malerisch umsetzt und dabei weiterentwickelt. Die Montagetechnik, in der sich Abbildungen sehr verschiedener Herkunft begegnen, überträgt sich als Phänomen von Widersprüchlichkeit und Gebrochenheit auf die Ölmalerei und produziert dort komplexe Situationen, die wie bereits weiter oben gesagt als unheilvoll und verstörend erlebt werden.
... In Bildern wie "Duck", bei dem zwei lachende alte Frauen die Betrachter ansehen oder "Tanz mit mir" wird eine vordergründig gemütliche und angenehme Begegnung zu einem abgründigen Erlebnis, das wie aus einem bösen Traum oder einer beunruhigenden Geisterwelt zu stammen scheint.
Die Frage nach der dargestellten Realität und ihrer Bedeutung, die Frage mithin, wo man sich als Betrachter eigentlich befindet und an welchem Geschehen man teilhat, bleibt rätselhaft offen und unbeantwortet und löst deshalb Irritation aus. In diesem Sinne kann auch keine Identifizierung mit den abgebildeten Personen stattfinden, die den Betrachtern in ihrer verzerrten Darstellung fremd bleiben, selbst wenn sie einen direkt anschauen. Immer wieder wirft Joanna Buchowska in ihren Arbeiten Fragen auf, die jedoch aufgrund fehlender Hinweise auf das Geschehen, nicht oder zumindest nicht eindeutig zu beantworten sind und deshalb ungelöst bleiben.
Ein wesentlicher Aspekt einer solchen künstlerischen Strategie in der Anlage der Bilder beruht auch darin, dass die dargestellten Personen auf die Betrachter zu reagieren scheinen und zum Beispiel in einen Blickkontakt treten wie etwa in dem Bild ‑ Fatzken (walking) oder ihnen andererseits wie Fremde begegnen und dabei völlig solipsistisch in der eigenen Welt verharren, zum Beispiel bei Arbeiten wie ‑ Wo sind sie geblieben oder ‑ An mir vorbei . Als Betrachter ist man aufgrund dieser künstlerischen Strategie immer zu deutlich an das Bildgeschehen gekoppelt oder zu extrem von diesem Geschehen ausgeschlossen.... Mit dieser Vorgehensweise der Künstlerin wird eine psychologische Reaktion beim Betrachter ausgelöst, die ihn das Trügerische des Moments erkennen lässt, doch ist es ihm nicht möglich, eine eigene Nähe oder Distanz zum dargestellten Bildereignis herzustellen, und so ist er in seiner Desinformation stets ein Ausgeschlossener und bleibt auf nichts, als auf bloße Vermutungen angewiesen.
In solcher Initiation des Betrachters liegt etwas Gewaltsames und Vereinnahmendes durch die Kunst Buchowskas, die jedoch auf diese Weise erlebte und tatsächlich existente gesellschaftliche und soziale Tendenzen kommentiert und sie in ihrer Malerei dermaßen zugespitzt darstellt, so dass sie überdeutlich und in einem Bild wie ‑ Fatzken geradezu grotesk erkennbar werden.
In Buchowskas Kunst begegnet uns ein Gefühl und der Ausdruck gegenwärtiger Wirklichkeit sowie ein Begreifen ihrer Konstruktion, denn Buchowskas Darstellungen handeln Wirklichkeit als ein zusammenmontiertes und zugleich fragmentiertes System ab, das außerhalb der Erfahrungswelt der Individuen existiert und ihnen in der Bedeutung hermetisch verschlossen bleibt.
Die in dieser Malerei bezeichnete Realität ist demnach nur noch retinal zu begreifen - sie stellt sich dem Augen dar, aber nicht mehr dem Verstand und der logischen Erkenntnis. Das Begreifen ist dennoch ein totales eigentlich ist es jedoch ein Nichtbegreifen, eine Art von Schwebezustand, der sozusagen ein "Sehen unter Schock" bedeutet und zur Erkenntnis führt, dass in diesen Bildern andere Druckverhältnisse und Bedingungen existieren, als in der so genannten Wirklichkeit. ...
... Die Räume, die Joanna Buchowska in ihren Bilder entstehen lässt, scheinen auf diesen Druck wo immer er auch herstammt zu regieren: sie wirken manchmal gedehnt und zugleich gestaucht. Dieser Eindruck wird auch durch ein besonderes Querformat der Bildträger erzielt etwa bei Arbeiten wie ‑ Wo sind sie geblieben? und ‑ An mir vorbei , die prospektartig breit angelegt sind.
In der Wärme und Helligkeit der Farben gelingt es Buchowska bei solchen Bildern, einen wie Schock gefrorenen Moment zu fixieren, der ein Paradoxon zu suggeriert weiß, denn selbst in der Sonne kann man frieren.
Aber auch in anderen Arbeiten erscheint der Raum keineswegs als Ort friedlicher übereinkünfte, und selbst wenn es keine unmittelbaren Hinweise auf eine Bedrohung gibt, so wirkt er etwa durch ein serielles Hineinstellen von Personen, etwa dem Bild "Let her standing there", eher wie in einem Traum konstruiert, denn als realer Vorder- und Hintergrund.
In einer Reihe neuer Arbeiten zeigt Joanna Buchowska Kinder, die auf Sonnen beschienen oder winterlichen Waldlichtungen dargestellt sind. Obwohl diesem Thema nichts grundsätzlich Bedrohliches anhaftet, erhält es in der Malerei Buchowskas eine unheimliche Konnotation, so als wäre man als Betrachter Zeuge eines sich anbahnenden Verbrechens oder Unglücks oder sogar potentieller Täter oder Mittäter. Dies erreicht die Künstlerin durch die gewählte Perspektive auf die Situation, bei die Kinder es sind vor allem Jungen in das Bildzentrum gerückt sind und entweder aus der Untersicht oder von einem erhöhten Standort gezeigt werden.
... In beiden Fällen erscheinen die Protagonisten zentriert und somit auch isoliert. Dadurch entsteht, obgleich die tatsächliche Entfernung zu ihnen nicht übermäßig groß ist, eine merkwürdige Distanz und Fremdheit, die auch deshalb beunruhigend wirkt, weil es keine freundlichen Reaktionen der Kinder auf die Zuschauer gibt. Vielmehr scheinen sie im dargestellten Moment gerade erst wahrzunehmen, dass sie von den Betrachtern beobachtet werden, doch ohne und dies macht die Sache dann tatsächlich brisant dass man als Betrachter, sein eigenes, auf die Kinder gerichtetes Interesse tatsächlich begründen könnte. Der Blick, den uns die Künstlerin auf solche Szenen vermittelt, ist ein kalter, voyeuristischer Blick, der dazu angetan scheint, Glück zu zerstören.
In all diesen Arbeiten erscheint im Vordergrund und sich hinter einem Baum verbergend, eine rothaarige Frau, die uns als Rückenfigur gezeigt wird. In der Dramaturgie des Bildes wird der Betrachter somit zum Komplizen dieser geisterhaften Erscheinung, deren Absichten völlig im Dunkeln bleiben. Obwohl Joanna Buchowska bei ihren Arbeiten kein blutrünstiges oder schöndendes Verbrechen gemalt hat, entsteht so der Eindruck von Verunsicherung und großer Bedrohung. Kind zu sein, bedeutet demnach ausgeliefert zu sein und nicht, wie man es vielleicht wünscht, Geborgenheit und freundliche Zuneigung.
... Von letzterem wie auch zugleich von äußerer Bedrohung handelt ein weiteres Kinderbild, das ebenfalls im Jahr 2007 entstand: Es zeigt eine vordergründig idyllische Szene am Meer, ein kleines Mädchen und seine Mutter sind in einer zugewandten und harmonischen Situation abgebildet. Mit dieser Arbeit hat die Künstlerin eine Selbstdarstellung geschaffen, denn Joanna Buchowska verwendete als Vorlage und Ausgangspunkt für die Malerei ein Foto aus der eigenen Kindheit.
Doch wird die harmonische Szene zwischen Tochter und Mutter auch bei diesmal in Frage gestellt, denn die sie umgebende Landschaft, das giftgrüne Segelboot in unmittelbarer Nähe und der braun-violette und gefährlich aufflackernde Himmel verheißen nur wenig Gutes. Die Mutter und ihr Kind scheinen all dies nicht wahrzunehmen, vielleicht aber dies sind bloße Vermutungen weil sie viel zu sehr mit sich beschäftigt sind, vielleicht weil ihre Zusammengehörigkeit durch solch bedrohliche Ereignisse nicht in Frage gestellt werden kann? Das Bild gibt auf solche Fragen keine eindeutigen Antworten und beschreibt dennoch eine Harmonie, die in Gefahr ist und ein Glück, das schon bald zerstört sein könnte.
... Genau an dieser Stelle siedelt und argumentiert Joanna Buchowskas Malerei, denn sie beschreibt Unsicherheit und existentielle Gefährdung genau dort, wo man gerne Freude, Harmonie, ja Menschlichkeit vermutet. Doch wenn das Dorf zur Zone der Gefährdung wird, der sommerliche Strand zum Ort der Katastrophe und Kindheit zu einer Zeit des Schreckens, dann erscheinen die Verhältnisse vollends verkehrt. Davon aber handeln mittlerweile zahlreiche Nachrichten, Mitteilungen der Gegenwart und viele Prognosen zur Zukunft. In diesem Sinne führt uns Joanna Buchowska die Wirklichkeit ungeschminkt und desillusioniert vor. Ihre Position ist radikal subjektiv und im Sinne einer persönlichen und moralischen Einforderung und als Anspruch auf ein menschenwürdiges Dasein zu begreifen.
Dr. Peter Funken über die Malerei Joanna Buchowskas zum Katalog zu der Einzelausstellung "Geboren um Früchte zu essen" 2007