20.05.2019 21:35
Sador ruft mich an. Ich wusste ja schon länger von der Ausstellung. Und ich sagte damals schon spontan, das passt super, irgendwie, aber nicht, weil es zusammenpasst. „Ich habe mit Joanna beschlossen, Dich zu fragen, ob Du einen Text für die Ausstellung schreiben willst. Ach ja, und eine kurze Rede“. Lange überlegen musste ich nicht, dazu kennen wir drei uns zu gut.
20.05.2019 21:49
Entweder saßen die beiden zusammen oder sie haben sich abgesprochen. Es gibt jetzt eine Messenger-Gruppe „montez“. Ja, kleingeschrieben. Wie alle Titel der Arbeiten beider Künstler, also natürlich kleingeschrieben. Wir winken uns zu, wie Social media-Pennäler.
20.05.2019 22:10
Dann wird’s konkret. Wir bestätigen uns noch gegenseitig in schriftlicher Form unsere Freude, dann – um es kurz zu fassen – laden sie sich zum Abendessen bei mir ein. Freitag abend. Okidoki allerseits. Sador muss sich noch mit Fons absprechen, klar.
21.05.2019, 09:39
Per Wetransfer kommen dreizehn Abbildungen plus Ansichten des Ausstellungsraum. Der Ordner heißt schon „KVFM“. Irgendwie scheint mir das ziemlich gut vorbereitet. Ich finde jeweils eine große Arbeit für den Eingangsbereich, die wohl größten der Ausstellungen. Okay, in einem extra Ordner. Gedanklich ist also alles schon gehängt. Eine fast untypisch düstere Arbeit von Joanna, die ich häufiger auch Bambi nenne; ein Spitzname, den sie wohl nicht mehr loswerden wird. Ich habe mich eigentlich nie wirklich gefragt, woher der Name kommt. Eine fast untypisch düstere Arbeit von Joanna, trotz der Größe unheimlich detailreich. Seit einiger Zeit arbeitet sie in einer neuen Technik, eine ganz eigene und besondere Form der Collage und Malerei. Natürlich ist das trotz des Mediums Malerei, mit dem Auge einer erfahrenen Malerin disponiert, mit einer ganz eigenen Farbwelt. Ich suche, wie immer bei ihren aktuellen Arbeiten, nach den Abgründen. Zwecklos, ich finde sie nicht. Auch der Titel der Arbeit liefert mir keinen Hinweis. Aber ich weiß ja, irgendwo sind Killerwomen oder Serienmörder versteckt, aber nicht sichtbar. Die Suche macht Spaß, ich verliere mich. Nein, noch schnell einen Blick auf Sadors Pendant. Auch eine große Arbeit, ein typisches Lichtspiel im Intérieur eines Raums. Es ist zwecklos, die Perspektiven zu prüfen, manche stimmen, manche sind erfunden. Es macht Freude, sich zu vertiefen; die Arbeit funktioniert auf dem Laptop ganz anders als im Original. Aber die Grundidee, dass Stimmungen und Räume aus dem Dunkeln entstehen, funktioniert auch hier.
21.05.2019, 10:35
Nach dem Telefontermin, der mich kurz ablenkte, weiter mit den restlichen Arbeiten. Das können noch nicht alle sein, um diese Räume zu füllen. In den restlichen Ordnern finde ich, was ich erwartete (und erhoffte). Zwei Positionen, die ich seit Jahren schätze und die sich reiben, ohne sich zu stören oder sich aufzuheben. Ich denke nochmal über unsere Vorgespräche nach. Von Anfang an sagte ich, dass ist keine natürliche Passung. Und trotzdem eine grandiose Idee, endlich zusammen auszustellen. Während Sador Weinsčluckers thematischer Zugang zu seinen Themen häufig sehr persönlich und unmittelbar ist, arbeitet Joanna Buchowska vermeintlich distanzierter. Während sie Schein-Idyllen kreiert, hinter denen sich menschliche Abgründe verbergen, steht bei ihm das persönlich Erlebte im Vordergrund. Er verarbeitet biographische Momentaufnahmen, in jeder ihrer Arbeiten steckt die Biographie als Ganze. Ich prüfe nochmal, im zweiten Raum zeigt sie eher Hochformate, er meist Querformate. Seine Arbeiten sind impliziter, fangen Stimmungen ein, ihre bestechen durch einen formalen Aufbau und eine malerische Explizität. Wie schon telefonisch besprochen, man sollte keine Gemeinsamkeiten suchen, wo keine sind.
24.05.2019, 22:30
Kurze Besprechung im Rahmen einer Ausstellungseröffnung. Ja, Filmstills, die für beide Ideenlieferanten sind, könnten eine Brücke zwischen den beiden Künstlern sein. Nein, nicht wirklich. Solche Äußerlichkeiten sind kein entscheidender Zugang, weder zu ihrem Werk noch zu dieser Ausstellung. Wir vertagen uns.
25.05.2019, 19:16
Joanna schreibt eine SMS: Sie wird sich verspäten, sie ist noch unterwegs, Materialien kaufen. Sie will unbedingt noch mindestens eine neue Arbeit für die Ausstellung malen. Aber sie habe gekühlten Weißwein dabei. Ich bin beruhigt, nicht wegen des Weißweins, sondern ich bin auch in der Küche etwas spät dran.
25.05.2019, 19:33
Sador kommt als erster. Er hat auch zwei Weißweine dabei. Üblicherweise trinken wir Rotwein, aber das ist heute dem Menü geschuldet. Wir öffnen erstmal den Prosecco. Nur, um zu prüfen, ob man den auch Joanna servieren kann. Qualitätsprobe bestanden.
25.05.2019, 19:41
Joanna klingelt. Wir wissen, wir müssen da durch. Geduldig sind wir Zeugen der technischen Funktionstest der neuen Tuschestifte und sehen uns die erstandenen historischen Hefte der Zeitschrift „HAUS“ an. Ach, jetzt verstehe ich die Farbwelt und die Motive etwas besser. Eingelegte Wassermelone mit Gletschereisbonbon-Splittern auf dem Balkon, wir verschieben unsere Diskussion. Aber schon die Vorspeise passt irgendwie, thematisch zu Sadors Arbeiten, farblich zu Joannas (das liegt daran, dass die Melone aufgrund der Saison noch etwas blass ist). Der Lugana passt auch gut, ein grundehrlicher Wein, wie die Arbeiten der beiden. Ein Wein, der seinen Reichtum erst auf den zweiten Schluck offenbart.
25.05.2019, 21:00
Ok , Zeit fürs Hauptgericht. Fischfrikadellen, Remoulade und Spinat. Der Touraine und der Picpoul de Pinet fließen. Jetzt liegt der Block auf dem Tisch. Viel schreibe ich nicht auf. Wir kennen uns schon lange und wir wissen eigentlich alle drei, dass wir nach Gemeinsamkeiten nicht suchen müssen. Und trotzdem passen die Positionen gut zusammen, weil sie sich reiben, Nähe und Distanz zu den jeweiligen Motiven unterschiedlich funktionieren, weil der Betrachter gefordert ist – oder zumindest eingeladen wird, nachzudenken und mitzufühlen. Weitere Arbeiten sind für die Ausstellung ausgewählt, immer schön paritätisch. Der gegenseitige künstlerische Respekt (und die Bewunderung) ist stets spürbar.
25.05.2019, 23:30
Rhabarberkompott, das erste dieses Jahr. Der Muscadet Sèvre et Maine von 2007 war nicht mehr auf der Höhe, aber für eine gute Sauce wird er noch herhalten können, schnell den Korken wieder drauf. In weiser Voraussicht war noch ein Moselriesling im Kühlschrank, das geht irgendwie immer. Der Begriff der Idylle geht mir nicht aus dem Kopf. Ist das eventuell die Gemeinsamkeit? Irgendwie ja, aber es sind stets gebrochene Idyllen auf beiden Seiten des Tischs (wir sind ja aufgrund der Temperatur längst drinnen gelandet). Wir schweifen ab, irgendwie ist ja alles schon gesagt. Drei Espressi, wir kommen zu keinem anderen Ergebnis.
26.05.2019, 00:45
Aufbruch. Ein letzter Versuch. Die große Gemeinschaft ist die lange freundschaftliche Verbundenheit der beiden Künstler, ihre Lebensbejahung, ihre Freude an der Kunst. Man sieht sie nicht unbedingt auf der Leinwand, aber man spürt sie.
26.05.2019, 01:22
Messages, Ausdruck des Danks für einen schönen Abend. Und das Zwischenfazit, dass er inhaltlich nicht so ergiebig war. Stimmt. Aber manche Dinge erschließen sich eher intuitiv. Man sollte dem Schein nicht immer vertrauen. Es lohnt sich, bei Weinsčlucker genau hinzuschauen, wo er uns mit seinen Lichtstimmungen und Perspektiven in die Irre ver-führt. Ebenso bereichernd ist es, bei Buchowska nach dem Mörder zu suchen, ohne ihn zu finden, es gibt unterwegs viel zu entdecken.
26.05.2019, 02:30
Der Rohentwurf des Texts ist geschrieben. Eigentlich war dieser Abend nicht nötig dafür. Aber schön war er trotzdem. Ich bin zuversichtlich; manchmal weiß man Dinge, ohne, dass man etwas konstruieren muss: Die Arbeiten werden in der Ausstellung herrlich korrespondieren, aber eben erst auf den zweiten Blick.
Anlässlich der Ausstellung Buchowska/ Weinsčlucker im Kunstverein Montez/
Frankfurt am Main/
19.06-21.07.2019